Bitte Abstand halten !
Wie Spulen in Frequenzweichen aufeinander abfärben
Wie war das doch noch mit den Drosselspulen ?
Sie bestehen aus lacküberzogenem, aufgewickeltem Kupferdraht und verringern den durchfließenden Wechselstrom mit zunehmender Tonhöhe oder Frequenz. Ihre Fähigkeit, Obertöne mehr oder weniger zu sperren, verdanken sie dem Magnetismus. Jeder elektrische Leiter, also auch Kupferdraht, erzeugt ein Magnetfeld um sich herum, wenn elektrischer Strom hindurch fließt. Und eben dieses Magnetfeld induziert Gegenspannungen im Leiter, die mit steigender Frequenz des Wechselstroms stetig zunehmen.
Doch jetzt kommt das "Kleingedruckte" : Das von einer Spule erzeugte Magnetfeld erreicht nämlich auch benachbarte Induktivitäten, in denen es Wechselpannungen induziert. Bei der Musikwiedergabe überträgt jede Spule der Frequenzweiche folglich Signale auf andere Spulen in ihrer Nähe, was sich auf den Klang von Lautsprecherboxen auswirken kann. Ein Versuchsaufbau sollte einen ersten Eindruck davon vermitteln, ob diese Fremdinduktion hörbar oder vernachlässsigbar ist.
Ein Tongenerator war die Signalquelle und ein Verstärker schickte deren Sinustöne mit ein bis zwei Watt durch eine Spule mit vorgeschaltetem Lastwiderstand. Die Spule diente quasi als Sender, und in der Nähe wurde eine zweite als Empfänger gebracht. Deren Drahtenden waren mit Plus- bzw. Minuspol eines Lautsprechers verkabelt. Kaum zu glauben, wie klar die Sinustöne über den Lautsprecher bis in den Hochtonbereich hörbar waren – und das ohne jegliche elektrische Verbindung zwischen Verstärker
Dieser Versuch zeigte, dass die gegenseitige Beeinflussung der Spulen auf einer Frequenzweiche keinesfalls belanglos ist. Aber was tun ?
Versuch macht klug
Änderungen der Spulenpositionen ließen erkennen, dass das Ausmaß der Einstreuung vor allem von zwei Faktoren abhängt, die man selbst steuern kann: vom gegenseitigen Abstand der Spulen und von ihrer geometrischen Ausrichtung zueinander. Und um kaum noch hörbar zu sein, erwies sich eine Induktionsspannung von einem Tausendstel der ursprünglichen Verstärkerspannung als tauglich, was einem Störabstand von 60 Dezibel entspricht. Mit anderen Worten: Schickt der Verstärker 10 Volt in die Senderspule, sollten an der Empfängerspule möglichst nicht mehr als 10 Millivolt messbar sein. Nun galt es auszuprobieren, wie man die Spulen positionieren muss, damit sie einander in Ruhe lassen. Dafür ersetzte ein Millivoltmeter den Lautsprecher in der Abbildung oben, und zunächst dienten zwei unterschiedliche Induktivitäten als Probanden: die bei Intertechnik verfügbaren unterschiedlichen Spulentypen mit 4,7 mH als Sender und eine Luftspule mit 0,47 milliHenry als Empfänger. Beides sind typische Induktivitäten für Boxen mit 8 Ohm Impedanz – die große für Tieftöner, die kleine für Mittel- und Hochtöner.
Grundsätzlich ist zwar auch die umgekehrte Rollenverteilung denkbar, also eine kleine Induktivität als Sender und eine große als Empfänger. Aber in der Praxis ist dieser Fall eher selten, denn in aller Regel fließen die höchsten Ströme durch die großen Spulen vor Tieftönern. Wie viel elektrische Energie anteilig in die einzelnen Lautsprecherzweige einer Dreiwegbox gelangt, veranschaulicht das folgende Diagramm.
Trennt eine Frequenzweiche bei 400 Hz und 3,5 kHz, so wird der Tieftöner bei Musikwiedergabe durchschnittlich etwa 56 % der vom Verstärker abgegebenen Leistung erhalten, der Mitteltöner rund 34 % und der Hochtöner 10 %. Die dem zugrunde liegende rote Kurve im Diagramm basiert auf Spektralanalysen diverser Pop-, Rock-, Jazz und Klassikaufnahmen.
Die Leistungsverteilung von rosa Rauschen bzw. IEC- und DIN-Rauschen soll hier nur dem Vergleich dienen, da diese Arten von Rauschen manchen bekannt sein dürften.
Streufeld und Induktivität
In den Versuchen zeigte sich, dass die Emfindlichkeit einer (Empfänger-)Spule für fremdinduzierte Störspannungen mit ihrer Induktivität steigt. Selbst bei optimaler Platzierung bzw. Ausrichtung sind oft noch 20 mm oder mehr Abstand zwischen benachbarten Spulen nötig, um Störsignale auf -60 dB zu drücken. Das ist insbesondere für Induktivitäten im Mitteltonbereich von klanglicher Bedeutung, zumal Tieftönerspulen auch mittel- und höherfrequente Signale ausstreuen, die sie aufgrund ihrer Induktivität dem Tieftöner selbst weitgehend vorenthalten.
Die Untersuchungen deckten folgende Zusammenhänge auf : Bei doppelter Induktivität der Senderspule (10 mH statt 4,7 mH) verringerte sich der in den noch folgenden Tabellen angeführte Mindestabstand um rund 30 %. Bei nur halber Induktivität der Senderspule erhöhte sich der Mindestabstand dagegen um etwa 50 % gegenüber den Tabellenwerten.
Bei den Empfängerspulen war es umgekehrt : Wurde ihre Induktivität von 0,47 mH auf 1,0 mH verdoppelt, war ein rund 50% größerer Abstand zur Senderspule nötig. Bei nur halber Induktivät der Empfängerspule durfte ihre Distanz zur Senderspule andererseit um rund 30% kleiner ausfallen als in den nachfolgenden Tabellen zu lesen ist.
Hier nun die Mindestabstände, die mittels des oben beschriebenen Versuchsaufbaus herausgefunden wurden, beginnend mit runden bzw. rollenförmigen Spulen.
Rollenförmige Spule in Pos. X A1 bis A3: Ausrichtung der Empfängerspule zur Senderspule.
A1 A2 A3
Pos.X | Senderspule | A1 Ausrichtung LU32/26 | A2 Ausrichtung LU32/26 | A3 Ausrichtung LU32/26 |
1 | HQS 32/26 | 37 | 10 | 0 |
2 | COT 92/39 | 50 | 15 | 0 |
3 | DR 56/35 | 63 | 15 | 0 |
4 | HQP 56/35 | 55 | 20 | 0 |
5 | HQP 62/47 | 63 | 28 | 0 |
6 | HQ 58/46 | 67 | 36 | 0 |
7 | HQ 43/45 | 65 | 37 | 0 |
8 | DR 56/61 | 75 | 58 | 0 |
9 | TO 10 | 5 | 38 | 5 |
10 | LU 92/39 | 41 | 6 | 0 |
11 | LU 120/55 | 43 | 18 | 0 |
Mindestabstand der Spulen voneinander in Millimetern für -60dB Störspannung.
Pos. X : Position oder Lage der Senderspule mit 4,7 mH
A1, A2, A3 : Ausrichtung der Empfängerspule (0,47 mH, LU32/26) zur benachbarten Senderspule
Spulen, deren Bezeichnung mit HQ, DR oder P beginnt, haben Ferritkerne von unter-schiedlicher Bauart, COT steht für eine Corrobar-Pulverkernspule, TO für eine mit Ringkern und LU für Luftspulen. Luftspulen ohne magnetisierbare Materialien in der Nähe ihrer Wicklungen (s. Pos. 10 und Pos. 11 in der Tabelle) erzeugen ein ähnlich starkes magnetisches Streufeld um sich herum wie Kernspulen, und beide Varianten erfordern vergleichbare Abstände von ihren Kollegen auf der Weiche. Von größtem Einfluß ist dabei die Wicklungsrichtung des Kupferdrahts benachbarter Spulen : Ist sie bei beiden gleich, wie im Fall A1, muss den Spulen ein großer Abstand eingeräumt werden, stehen die Wicklungen dagegen senkrecht zueinander, wie bei A3, so können die Spulen eventuell sogar auf Tuchfühlung gehen, ohne einander zu stören. Die Ringkernspule TO 10 (s. Pos. 9 in der Tabelle) scheint hier ein kleinwenig aus der Reihe zu fallen, was an ihrer speziellen Drahtwicklung um den ringförmigen Kern liegt.
Welche Mindestabstände ergeben sich bei geänderter Position der Senderspule ?
Rollenförmige Spule in Pos. Y A1 bis A3: Ausrichtung der Empfängerspule zur Senderspule.
A1 A2 A3
Pos.Y | Senderspule | A1 Ausrichtung LU32/26 | A2 Ausrichtung LU32/26 |
A3 Ausrichtung LU32/26 |
1 |
HQS 32/26 | 16 | 64 | 0 |
2 | COT 92/39 | 55 | 95 | 3 |
3 | DR 56/35 | 45 | 105 | 0 |
4 | HQP 56/35 | 40 | 90 | 0 |
5 | HQP 62/47 | 43 | 97 | 7 |
6 | HQ 58/46 | 48 | 107 | 0 |
7 | HQ 43/45 | 36 | 100 | 0 |
8 | DR 56/61 | 50 | 105 | 0 |
9 | TO 10 | 13 | 13 | 10 |
10 | LU 92/39 | 56 | 90 | 0 |
11 | LU 120/55 | 60 | 100 | 0 |
Mindestabstand der Spulen voneinander in Millimetern für -60dB Störspannung.
Pos. X: Position oder Lage der Senderspule mit 4,7 mH
A1, A2, A3: Ausrichtung der Empfängerspule (0,47 mH, LU32/26) zur benachbarten Senderspule
Ändert man die Position der Senderspule, gilt auch hier wieder: Ist die Wicklungsrichtung von Sender- und Empfängerspule gleich, wie diesmal bei A2, wird ein sehr großer Abstand benötigt, damit sie nicht hörbar aufeinander einwirken. Nur wenn ihre Wicklungen senkrecht zueinander stehen, wie diesmal bei A3, dürfen die Spulen sich recht nahe kommen. Eine Ausnahme bildet wieder die Ringkernspule Torobar TO 10 (Pos. 9 in der Tabelle) aufgrund ihrer speziellen Drahtwicklung um den ringförmigen Kern.
Nicht alle Drosselspulen sind rund bzw. rollenförmig. Und vor allem solche mit magnetisierbarem Kern aus Trafo- bzw. Eisenblech erwiesen sich als etwas eigen hinsichtlich ihrer Streuungen, wie die folgenden Messdaten zeigen.
Trafo - und I-Kernspule als Sender A1 bis A3: Ausrichtung der Empfängerspule
zur Senderspule
Pos. X
Pos. Y
A1 A2 A3
Pos. Z
Pos.X | Senderspule | A1 Ausrichtung | A2 Ausrichtung | A3 Ausrichtung |
1 | I 78 | 5 | 85 | 3 |
2 | I 96 | 16 | 90 | 3 |
3 | I 130 | 34 | 105 | 0 |
4 | I 150 | 40 | 110 | 5 |
5 | FE 96 | 20 | 20 | 0 |
6 | FE 130 28 | 19 | 0 | 0 |
Pos.Y | Senderspule | A1 Ausrichtung | A2 Ausrichtung | A3 Ausrichtung |
1 | I 78 | 5 | 63 | 63 |
2 | I 96 | 7 | 77 | 5 |
3 | I 130 | 20 | 90 | 5 |
4 | I 150 | 29 | 98 | 5 |
5 | FE 96 | 0 | 33 | 25 |
6 | FE 130 | 0 | 0 | 35 |
Pos.Z | Senderspule | A1 Ausrichtung | A2 Ausrichtung | A3 Ausrichtung |
1 | I 78 | 0 | 0 | 72 |
2 | I 96 | 0 | 0 | 81 |
3 | I 130 | 0 | 8 | 90 |
4 | I 150 | 0 | 3 | 92 |
5 | FE 96 | 10 | 50 | 5 |
6 | FE 130 | 18 | 60 | 0 |
Mindestabstand der Spulen voneinander in Millimetern für - 60dB Störspannung.
Pos. X bis Z : Lage der Senderspule mit 4,7 mH
A1, A2, A3 : Ausrichtung der Empfängerspule (0,47 mH, LU 32/26) zur Senderspule
Das "I" bei den Spulenbezeichnungen steht für einen stabförmigen Kern aus Trafoblech, das "FE" für übliche Trafokerne in Form des Buchstaben E
So ist´s richtig :
Die Abbildungen unten veranschaulichen, wie Spulen auf Frequenzweichen am besten zu positionieren sind, um sich gegenseitig möglichst wenig zu belästigen. Blickwinkel jeweils von oben.
Rollenförmige Spule Rollenförmige Spule
Wicklungsrichtung
Benachbarte Spulen beeinflussen sich am wenigsten, wenn ihre Wicklungen senkrecht zueinander stehen. Die blauen Pfeile verdeutlichen die Wickelrichtung.
Trafo- und Rollenspule I-Kern und Rollenspule
Auch die Wickelrichtung von Spulen mit Trafo- oder mit I-Kern sollte senkrecht zu der des Nachbarn stehen.
So möglichst nicht !
Sender DR56/61 Empfänger HQ40/30
mit 4,7mH mit 2,7mH
268mm
Als verblüffend groß erwies sich der Einfluß, wenn die Empfängerspule (hier HQ 40/30) ebenfalls eine hohe Induktivität aufwies und beide Spulen quasi Kopf an Kopf positioniert waren. Rund 27cm Abstand waren für -60 dB Störspannung nötig!
Fazit
Wenn Wechselstrom fließt, senden die für Lautsprecher benötigten Drosselspulen magnetische Energie in die übrigen Spulen der Frequenzweiche und induzieren in ihnen Wechselspannungen, die den Lautsprecherklang beeinträchtigen können. Diese ärgerliche Eigenschaft hängt allen Spulentypen mehr oder weniger an, ob sie einen magnetisierbaren Kern haben oder nicht.
Negative Auswirkungen dieses Effekts lassen sich aber erheblich reduzieren, indem man die einzelnen Spulen so positioniert und ausrichtet, dass ihre Wickelrichtungen senkrecht zueinander stehen und indem man Induktivitäten in Zweifelsfällen zusätzlich einige Zentimeter Abstand voneinander einräumt.
Aber was für Zweifelsfälle sind gemeint ?
Wenn im Tieftonbereich zum Beispiel mehrere große Induktivitäten eingesetzt werden, die allein aufgrund ihrer Abmessungen eine optimale Platzierung und Ausrichtung auf der Weichenplatine erschweren, ist das so ein Zweifelsfall. Die starken Magnetfelder eng benachbarter Basspulen können einander sogar modulieren, was dann zu sehr eigentümlichen Störgeräuschen führt.
Und größere Induktivitäten (1,0 mH und mehr) im Mitteltönerzweig dürften besonders sensibel auf Einstreuungen von Tieftönerspulen ansprechen, weil die Empfindlichkeit der Empfängerspulen mit deren Induktivtät ansteigt. Hinzu kommt, dass die Streuungen selbst großer Induktivitäten nicht nur tiefe Frequenzen enthalten, wie man meinen könnte, sondern beinahe das gesamte Hörspektrum.
Spulen im Hochtönerzweig dagegen werden empfindlicher auf die Serienspulen vor Mitteltönern reagieren als auf die großen Induktivitäten für den Bassbereich. Zumindest dann, wenn sie zu den großen Kollegen wie zuvor empfohlen ausgerichtet werden. Denn je größer die Induktivität der Senderspule und je kleiner die der Empfängerspule, desto geringer ist die elektromagnetische Streuwirkung.
Ermöglichen die Abmessungen der Weichenplatine keine ausreichende Distanz zwischen den Spulen, empfehlen sich voneinander getrennte Platinen, zum Beispiel eine für den Bass- und eine zweite für den Mittel- und Hochtonbereich.
Berndt Stark